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Die Österreicherin Stella Rollig (Jahrgang 1960) ist seit gut drei Monaten Direktorin des Lentos Museum in Linz. Ein Gespräch über die Höhen und Tiefen ihres neuen (Museums-) Alltags...

„Ich verschrotte nun nicht die Bilder meines Vorgängers“

redaktionsbüro: Antje Mayer
Stella Rollig:
- Ein ungewöhnlicher Karriereschritt. Vorher theoretisierten Sie sich als freie Kuratorin und Autorin (mit Schwerpunkt Kunst im sozialen Raum und Neue Medien) sozusagen vom Event zur Institution. Wie arbeitet es sich so etabliert, volksnah und unerfahren?
- Die Leitung dieses Museums zu übernehmen, war und ist für mich ein Sprung ins kalte Wasser. Wenn ich immer nur das täte, was ich kann, dann würde ich mich langweilen. Mein Prinzip: Nicht alles selbst machen, aber mit der Zeit Stück für Stück erobern. Im Lentos sind ein Geschäftsführer und vier Kunsthistorikerinnen an Bord, die die Sammlung in- und auswendig kennen. Ich bin gut beraten derweil, möchte in Hinkunft jedoch schon, daß die Fäden bei mir zusammenlaufen.
- Ihr Vorgänger Peter Baum war sage und schreibe 30 Jahre Direktor dieser Institution. Arbeitet es sich nicht schwer mit diesem Erbe?
- Diese drei Dekaden bilden sich deutlicher ab, als ich erst vermutete. Baum hatte in Linz in Fragen der Modernen Kunst eine Art Monopolstellung inne und war unglaublich umtriebig. Ich bin hier mit einem Kunstbegriff konfrontiert, der über Jahrzehnte von ihm geprägt wurde: Malerei, Grafik und Fotografie. Nun komme ich mit einer ganz anderen, neuen Definition von Kunst, aus meinen, im übrigen nicht minder abgegrenzten, Bereich konzeptueller und Medien-Kunst. Meine Frage, die ich mir Tag und Nacht stelle: Wie kann ich sie den Leuten nahe bringen?
- Das fragen auch wir uns...
- Ich bin von der Jury gewählt worden, um eine Brücke zu bauen, zwischen Alt und Neu. Ich verschrotte nun nicht die Bilder meines Vorgängers. Mein Ansatz: Die vorhandene Lentos-Sammlung mit aktuellen Positionen in Verbindung zu bringen, ihre Aktualität zu kommunizieren und international ausgerichtet zu sein. Meine erste Ausstellung des britischen Künstlers Darren Almond (bis 27. September), bei der man den Innenraum der Linzer Justizanstalt mittels einer Videoinstallation im Museumsraum abgebildet sieht, kommt an, aber nicht bei allen. Es wurde schon an mich herangetragen, doch Populäres zu featuren, etwa Christian Ludwig Attersee oder Arnulf Rainer.
- Diese Künstler sind doch bei der teilweise sehr ländlich geprägten Besucherschicht im Grunde ebenso wenig bekannt wie ein Darren Almond...
- Noch weiß ich nicht genau, auf welche Informiertheit ich zählen kann. Ab Sommer werden wir systematische Publikumsbefragungen durchführen, um zu erfahren, wer bei uns ein- und ausgeht. Mein Ziel ist es, jeden zu erreichen, ohne mich anzubiedern. Ich will die Leute, auch hier im Haus, für Neues begeistern. Mein Wunsch ist, daß die Bevölkerung ihr Lentos liebt. In einem Museum kann man sehr viel parallel zeigen. Die Eröffnung im Mai war schon erfolgreich: Wir hatten immerhin 3.000-4.000 Besucher am Tag der offenen Tür.
- Hand aufs Herz. Hatten Sie sich einige Dinge anfangs einfacher vorgestellt?
- Der neue Museumsbau ist sehr schön, jedoch ziemlich konservativ in der Raumaufteilung und schwer zu bespielen...
- ...mit dem Budget soll es ja auch nicht so rosig aussehen, wie Sie erst dachten?
- Das stimmt. Ich kann heuer nichts mehr ankaufen. Auch müssen wir unbedingt mit Partnern aus der Wirtschaft zusammenarbeiten. Da wurde bisher nichts gemacht, um eine längere Zusammenarbeit zu erreichen. Die Zeit drängt. Im Herbst machen die Firmen ihre Budgets.
- Sie sind mit Agnes Husslein vom Museum der Moderne in Salzburg eine der wenigen weiblichen Direktorinnen eines öffentlichen Museums in Österreich. Ist es in der Branche schwer, sich als Frau durchzusetzen?
- Ich kann nun nicht nur meine internationalen, sondern auch Baums gute Beziehungen nutzen, und die begegnen mir durchgehend wohlwollend. Manche sprechen mich direkt darauf an, dass sie sich freuen, dass eine Frau in dieser Position sitzt. Dass ich keine Kinder habe, liegt nicht daran, daß ich sie meiner Karriere opferte, sondern mehr daran, daß es mich nie interessiert hat, welche zu bekommen. Dass wir im Übrigen, abgesehen von mir und den Kuratorinnen, viel Frauenpower in unserem Haus rekrutieren können, zeigen wir mit unserer Ausstellung „Paula’s Home“ mit 104 Künstlerinnen aus unserer Sammlung (ab 15. Oktober).
- Gerald Matt von der Kunsthalle mimt den Dandy, Wilfried Seipel vom Kunsthistorischen Museum gibt sich als barocker Lebemann, Agnes Husslein spielt die Societylady. Wie legen Sie’s an?
- Ich glaube durchaus, daß das Image, das ich als Direktorin habe, auch auf das Museum projiziert wird, deswegen führe ich etwa wichtige Besucher immer persönlich durch das Haus. Aber Prunk interessiert mich nicht, obwohl ich durchaus eine Verantwortlichkeit spüre, persönlich etwas darzustellen. Ich möchte mich zugänglich und unkompliziert geben, aber mit einer großen Bestimmtheit, ohne autoritär zu wirken. Ich hoffe, das funktioniert.
Lentos Museum Linz -